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    FOR GODS SAKE
Jason Martins Arbeit für die Apostelkirche zu Gütersloh

Ein von Udo Kittelmann, dem Leiter des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt, kuratiertes Ausstellungsprojekt des Kunstvereins Kreis Gütersloh widmet dem britischen Künstler Jason Martin vom 22. November 2007 bis 20. Januar 2008 eine umfassende Einzelausstellung. Jason Martin, der 1970 in New Jersey geboren wurde, gilt als einer der wichtigsten Maler seiner Generation und ist in weltweit bedeutenden privaten und öffentlichen Sammlungen vertreten. Bekannt geworden ist Jason Martin mit großformatigen, wie gekämmt wirkenden monochromen Bildern, die optisch in den Raum treten und das Werk an der Schnittstelle zwischen Malerei und Skulptur verorten. Seinen internationalen Durchbruch erzielte Martin 1997 mit der Teilnahme an der so kontroversen wie erfolgreichen SENSATION Ausstellung, die Werke aus der Charles Saatchi Sammlung in der Royal Academy of Art in London, später auch im Hamburger Bahnhof sowie im Brooklyn Museum of Art, New York, zeigte.
Die Ausstellung im Gütersloh wird in enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Bank und DB Kulturstiftung sowie mit freundlicher Unterstützung der Firmen Bertelsmann AG, Miele, der deutsch-britischen Gesellschaften in Gütersloh und Bielefeld sowie voraussichtlich des British Council realisiert. Diese breite Allianz dokumentiert bereits die allgemeine Wertschätzung für diesen Künstler.
Bei seinem ersten Besuch in Gütersloh im November 2006 besichtigte Jason Martin neben dem Kunstverein im Veerhoffhaus auch die Apostelkirche, die ihn auf Anhieb faszinierte. Innerhalb kürzester Zeit skizzierte er noch in der Kirche den Entwurf eines großformatigen Tafelbildes für die zentrale Stirnseite des Kirchenschiffes. „The most beautiful work I ever had in mind“. Auf der zurzeit weiß gekalkten östlichen Chorwand hinter dem Hauptaltar sieht der zwischenzeitlich ausgearbeitete Entwurf (s. Abb.) unter dem Titel „For Gods Sake – Um Gottes Willen“ eine Acrylarbeit auf einem ungewöhnlich anmutenden Maluntergrund in Rhombenform vor.
Sofort wurde deutlich, dass dieser Entwurf zu einer weit reichenden Intervention im Altarraum führen wird. Dominierend im Altarraum ist seit dem Wiederaufbau Anfang der 50er Jahre ein wuchtig hölzernes Groß-Kreuz, in das ein Balken der am Totensonntag 1944 zerstörten Kirche, ein anderer von der ersten Orgelempore der Martin-Luther-Kirche eingearbeitet wurde. Auch wenn der Entwurf von Jason Martin selbstverständlich eine Auseinandersetzung mit dem zentralen Kreuz-Symbol beinhaltet, so formuliert er doch einen eigenen, autonomen Geltungsanspruch. Damit Gross-Kreuz und Bildentwurf nicht in Konflikt treten, sondern in Beziehung zueinander treten können, macht es der Entwurf erforderlich, dass sich der Standort des Groß-Kreuzes im Kirchenraum verändert. Die Entscheidung über die Realisierung des Entwurfes war damit auch zugleich eine Entscheidung über die Veränderung des Altar- und Kirchenraums.
Mit seiner Intervention richtet der Entwurf von Jason Martin zentrale Fragen an alle Beteiligten, die weit über die Frage nach der Qualität des Entwurfes hinausgehen: Ist der Altarraum heilig? Darf über das Altarkreuz verfügt werden? Was bedeutet der Umgang mit Gegenwartskunst für Christentum und Kirche?
Nachfolgend finden sich einige Überlegungen dazu, die in die Diskussion mit eingeflossen sind, welche im Presbyterium und Kirchenbeirat der Apostelkirche Anfang März zu dem Entwurf stattfand.
Sind Altarraum und Chorwand heilig?
Der Ort hinter dem Altar ist für den Gläubigen ein zentraler Ort, auf den sich während eines Gottesdienstes ständig sein Blick richtet. Doch ist er auch unantastbar heilig? Ist der Altar die Schwelle zwischen der in der irdischen Welt weilenden gottesdienstlichen Gemeinde auf der einen und dem undarstellbaren Geheimnis Gottes auf der anderen Seite? Oder ist die Chorwand bloß eine kahle Fläche?
Für letzteres spricht wohl der protestantische Generalverdacht gegen das Heilige. Wie Rudolf Otto es klassisch in seiner Studie Das Heilige formuliert hat, gehört zum religiösen Erlebnis eine Begegnung mit Wirklichkeiten und Wesenheiten, die „ganz anders“ sind. Diese Andersheit lässt sich nicht mit einer gewöhnlichen Sprache und gewöhnlichen Bildern fassen, sie kann nur angedeutet werden. Insofern muss man Zweifel daran haben, wenn Menschen behaupten, dieses lokalisieren und damit auch darüber verfügen zu können. Der Theologe Wilhelm Gräb hat einmal geschrieben, dass ein Sakralbau nicht per se ein heiliger Ort ist.
„Er ist es nicht durch eine bestimmte Architektur.[…] Er ist es auch nicht durch die Prinzipalstücke, die eine christliche Kirche herkömmlicherweise als solche erkennbar machen: Kreuz, Altar, Taufbecken, Kanzel. Ein Sakralbau kann zu einem heiligen Ort nur dadurch werden, dass er bei denen, die ihn betreten, eine besondere Gestimmtheit auslöst, dass er sie auf tiefer gehende Gedanken bringt, auf den Weg nach Innen führt. […] Damit ein Sakralbau dies leisten kann, kommt es auf … die ästhetische Erfahrung an, welche der Raum machen lässt.“
Unverkennbar lässt sich aus dieser Position eine grundsätzliche Offenheit für künstlerische Interventionen im Kirch- und Altarraum ableiten. Interventionen, die in der Gütersloher Apostelkirche schon früher mit den Apostelfresken in der Kirche um 1892 bzw. mit der Neuausmalung der Chorwand durch Professor Pfannschmidt im Jahre 1932 zugelassen und in den letzten Jahren mit den Ausstellungen des Fördervereins historische Kirchen im Stadtzentrum Gütersloh gepflegt wurden.
Darf die Position des Altarkreuzes das Altarkreuz verändert werden?
In der Apostelkirche trägt das Gross-Kreuz des Altarraums eine ganz besondere Bedeutung. Die beiden Balken erinnern an den unerschütterten Glauben und Neuanfang in der Nachkriegszeit sowie an die Verbundenheit mit der Martin-Luther-Kirche. Diese Bezüge gehen jedoch durch eine Veränderung des Standortes dieses Gross-Kreuzes keineswegs verloren.
Interessanter erscheint deshalb die Frage, ob der Standort des Kreuzes im Altarraum geboten ist? Die herausgehobene Position des Altarkreuzes soll veranschaulichen, dass alles liturgische Geschehen im Kirchenraum unter diesem Zeichen des Heils geschieht. Die Nähe zum Altar verdeutlicht, dass Christus sich bei der Eucharistiefeier am Altar den Menschen ebenso schenkt wie bei der sich opfernden Hingabe am Kreuz. Ein Blick in andere Kirchen zeigt jedoch, dass das Altarkreuz keineswegs unmittelbar am Altar stehen muss. Es kann genauso gut über dem Altar hängen oder sich als Kreuz an der Wand dahinter befinden. Es gibt auch kein liturgisches Gebot, dass ein Kreuz im Altarraum zu stehen hat. Im Gegenteil: Der Gekreuzigte als Mitte der christlichen Botschaft taucht überhaupt erst im fünften Jahrhundert nach Christus auf. Die christliche Identitätsstiftung über das Kreuz als Sinnbild der Person Christi, seines Leidens sowie der Überwindung von Kreuzigung und Tod, setzte also erst spät ein.
Letztlich braucht diese Frage mit Blick auf den Gestaltungsentwurf von Jason Martin aber nicht beantwortet zu werden: Denn der Entwurf von Jason Martin nimmt die Kreuzesform auf. Durch die Aufstellung des Großkreuzes im Kirchenschiff bleibt sichergestellt, dass die Gemeinde unter dem Kreuz tagt. Sie verändert nur ihre Seh-Gewohnheiten und Blickrichtung.
Was bedeutet der Umgang mit Gegenwartskunst für Christentum und Kirche?
Man sollte an den Anfang aller Überlegungen stellen, dass Kirche keinen Grund hat Mini-Kunsthalle zu spielen und den heiligen Raum multifunktional zu vernutzen. Solange Kunst in der Kirche keinen schlüssigen Bezug zum Raum, zum Gottesdienst und zur Gemeinde aufweist, setzt sie meines Erachtens gerade das aufs Spiel, was die Kirchen als Ort geistiger Sammlung so faszinierend macht. Sie nährt den Vorbehalt, der das Verhältnis von Kunst und Religion von jeher überschattet hat: dass die Verkündigung, die sich primär als Sprachgemeinschaft konstituiert und auf das Geistige konzentriert, durch das Bild als individuell geschaffenes, materiell-sinnliches Medium verfehlt wird.
So hat schon Klemens von Alexandrien als Begründung für das mosaische Bilderverbot angeführt, wir sollten „unsere Aufmerksamkeit nicht den Sinnendingen zuwenden, sondern uns um das Geistige kümmern. Denn die Erhabenheit der Gottheit wird herabgewürdigt, wenn man sich daran gewöhnt, sie ohne Schwierigkeit ansehen zu können […].“ Und auf evangelischer Seite legte die vor allem von Karl Barth bestimmte Wort-Gottes-Theologie allen Wert darauf, dass einzig das Wort Gottes die Quelle der Offenbarung sei, nicht hingegen das menschliche Subjekt mit seinem Fühlen und Imaginieren, wie es sich in den Künsten offenbart.
Muss es also heißen: Verkündigung ist Verkündigung und Kunst ist Kunst? Oder kann der Umgang mit der Gegenwartskunst für Christentum und Kirche auch etwas Bereicherndes sein?
Immerhin wird letzteres weitgehend für die bebildernde Kirchenkunst befürwortet, wo die Kunst im didaktischen Sinne in den Dienst der Verkündigung gestellt wird. Meines Erachtens bleibt jedoch das Konzept der Bildergeschichten weit hinter den Möglichkeiten der Kunst zurück. Problematischer noch: ein solcher Zugang, bei dem die Kunst auf ihre illustrative Funktion beschränkt bleibt, kann die Herausforderung der zeitgenössischen abstrakten Malerei, wie sie uns auch in dem Entwurf von Jason Martin begegnet, kaum mehr annehmen.
Die Einbeziehung eines abstrakten Kunstwerkes in einen Kirchenraum mit gottesdienstlicher Nutzung mag uns schwieriger erscheinen, als ein Verkündigungsholzschnitt. Das abstrakte Kunstwerk dient nicht mehr, sondern formuliert einen eigenen Geltungsanspruch und fordert mit ihrer Mehrdeutigkeit zum Dialog heraus. Abstrakte Malerei transportiert nicht mehr einseitig eine eindeutige Botschaft des Künstlers, vielmehr lässt sie mangels inhaltlicher Fixierungen einen Deutungsspielraum zu. Das gleiche Bild sagt nicht jedem Betrachter dasselbe und in einem Bild liegen verschiedene Möglichkeiten. So kann man mit dem Bildentwurf von Jason Martin die Assoziation eines Edelsteins genauso verbinden wie auch zwei zum Willkommensgruß ausgebreitete Arme, einen Faltenwurf, das verhangene Kreuz zur Kar-Zeit oder letztlich eben nur einen farbigen Bildgrund, der als geschlossener (und nur über das Auge vermittelbarer) Sinnbereich nach eigenen Gesetzen Wirkung entfaltet.
Diese Offenheit des Kunstwerks lädt ein zur Versenkung, Kontemplation und der Begegnung mit einer anderen Bedeutungs-Wirklichkeit. Dieser ästhetische Vorgang ist zwar nicht notwendig religiös. Denn die Basis der ästhetischen Erfahrung bildet ja die sinnliche und das heißt nicht begriffliche Begegnung mit einem Kunstwerk. Sie ähnelt aber der religiösen Erfahrung, die ja auch durch metaphorische Sprache, Gleichnisse und Symbole auf das Unsagbare verweist.
Die Frage, was der Umgang mit Gegenwartskunst für Christentum und Kirche bedeutet, beantworte ich demnach in Anlehnung an den Theologen Horst Schwebel dahin gehend, dass er Formen des ästhetischen Erlebens ermöglicht, die ohne das ausgestellte Kunstwerk eben nicht stattfinden könnten. Damit sensibilisiert die Auseinandersetzung mit Gegenwartskunst den Betrachter für die Möglichkeiten einer religiösen Wahrnehmung in der Welt. Indem die Kunst gewöhnliche Seh-Erfahrungen durchbricht, nähert sie sich der religiösen Erfahrung von Heiligkeit an. Wird in einen Kirchenraum ein Kunstwerk aufgenommen, macht man damit deutlich, dass man um das Nichtsagbare der Verkündigung weiß. Man entscheidet sich gegen Routine, Stillstand und Alltag sowie für das Lebendige und geistige Abenteuer, das mit der Suche nach zeitgemäßen Zugängen zum Glauben verbunden ist.
Schlussbemerkung: Sollte das Wagnis eingegangen werden?
Wenn man Bilder von Jason Martin betrachtet, kann man kaum bestreiten, dass sich seine Kunst in weiten Teilen einer religiösen Erfahrung annähert. Diese Nähe entsteht durch ihre Reduktion der Mittel. Mit seiner Minimalistischen Malstrategie eröffnet Martin den Raum für das Erhabene, die Kontemplation, Meditation und Reinheit – Begriffe, die lange schon zum religiösen Vokabular gehörten, bevor sie in der Kunst Eingang fanden.
Insofern ist es nur folgerichtig, dass Martin erstmalig eine Arbeit für einen sakralen Raum entwirft. Für den Kunstverein Kreis Gütersloh, den Förderverein historische Kirchen und für die Apostelkirche eröffnet sich die einmalige Chance, ein religionsbezogenes Kunstwerk von überregionaler Bedeutung ins Leben zu rufen.
Das Projekt eröffnet zudem eine einmalige Chance für die Verständigung mit den großen britischen Gemeinschaften in Westfalen. Es schwingt eine ganz besondere Bedeutungsebene mit, wenn einer der herausragenden britischen Gegenwartskünstler sich gerade für die Kirche begeistert und für die Kirche ein zentrales Werk entwirft, die 1944 von englischen Kampfflugzeugen in Schutt und Asche gelegt wurde und viele Menschen auf tragische Weise unter sich begrub. Dass die Idee dieses Entwurfs ausgerechnet am Totensonntag 2006 entwickelt wurde, als weder Jason Martin, noch ich von der tragischen Geschichte wussten, die sich exakt 63 Jahre zuvor an diesem Ort ereignet hatte, erscheint im Nachhinein wie eine Fügung, die auf ein Neues bestätigt, dass große Kunst stets weit mehr beinhaltet, als der Künstler selbst intendieren kann.
Faszinierend an dem Entwurf von Jason Martin erscheint mir, dass er mit den trotz aller Monumentalität behutsamen Andeutungen von Kreuz, liturgischer Farbe, Körper und der himmelwärts gerichteten Grundbewegung eine christliche Lesart von Kreuz und Erlösung ermöglicht, aber keineswegs vorgibt. In geradezu paradoxer Weise führt der Entwurf dazu, sich „kein Bild zu machen“ und entzieht damit dem Ursprung aller Bilderfeindlichkeit den Boden.
Jede Öffnung der Kirche für die Kunst der Gegenwart bleibt naturgemäß ein Wagnis. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass der Entwurf zu einer neuen Auseinandersetzung mit dem Kreuz, mit den Möglichkeiten von Kunst im Kirchenkontext führen und alle Betrachter verändert zurücklassen wird. Um so mehr freue ich mich über die mehrheitliche Entscheiung des für die Apostelkirche zuständigen Beirats und Presbyteriums am 12. März 2007, dass dieses Wagnis eingegangen werden soll.

© Malte Christopher Boecker
Juli 2007



Der für die Apostelkirche verantwortliche Pfarrer Christian Feuerbaum schreibt dazu:

Neue Ausstellung in der Apostelkirche – Großskulptur des Künstlers Jason Martin
Ende November bis Anfang Januar wird in der Apostelkirche an der Wand hinter dem Altar ein rhombenförmiges Kunstobjekt des im englischsprachigen Raum sehr bekannten Künstlers Jason Martin zu sehen sein. Die Ausstellung eines seiner Kunstobjekte in unserer Kirche steht im Zusammenhang einer zeitgleich stattfindenden Ausstellung von Werken von ihm im benachbarten Veerhoffhaus. Damit diese Skulptur in unserer Kirche seine Wirkung entfalten und betrachtet werden kann, wird das Großkreuz hinter dem Altar für die Zeit der Ausstellung einen anderen Ort in der Kirche finden.
Im Beirat der Region Stadtmitte haben wir intensiv darüber gesprochen, ob wir eine Umstellung unseres Kreuzes verantworten können - handelt es sich bei einem Kreuz doch um ein zentrales Symbol unseres Glaubens. Ist es also vertretbar, dass wir das Kreuz – auch wenn es nur auf Zeit ist - nicht mehr so vor Augen haben und damit alles, was wir mit dem Kreuz verbinden? Mit unserem Großkreuz verbindet sich zudem ein Stück Gütersloher Geschichte - sind seine Balken doch aus der zerstörten alten Kirche gerettet worden. Hinzu kam die Frage nach dem Zeitraum: Geht nicht auch ein anderer Termin als die Zeit von Ende November mit seinem Ewigkeitssonntag über Weihnachten und Epiphanias? Da die Kosten dieser Ausstellung vom Veranstalter getragen werden, spielte diese Frage keine Rolle. Am Ende unserer Beratung hat sich der Beirat nahezu einstimmig dafür ausgesprochen, die Ausstellung zu wagen.
In der Tat scheint der Zeitraum der Ausstellung auf den ersten Blick eher ungünstig, weil der Ewigkeitssonntag und Weihnachten für uns sehr geprägte Tage sind. Interessanterweise ist die Idee zu dieser Ausstellung am Totensonntag 2006 entstanden, als Jason Martin unsere Apostelkirche besucht und von ihrer Zerstörung durch einen englischen Bombenangriff am Totensonntag 1944 gehört hat. Tief beeindruckt davon sagte er, dass er etwas für diese Kirche schaffen möchte. So stand auf einmal das Thema „Vergangenheit, Gegenwart und Versöhnung“ im Raum. Und dabei war Herr Martin doch nur nach Gütersloh gekommen, um die Räumlichkeiten für seine Ausstellung im Veerhoffhaus anzuschauen. Der Zeitpunkt für diese Ausstellung kann darum kaum besser sein: Vergangenheit, Gegenwart, Versöhnung – Themen, die uns am Ewigkeitssonntag und an Weihnachten ganz besonders wichtig sind.
Vergangenheit, Gegenwart, Versöhnung – mit diesen Stichworten sind wir auch ganz nah dran an der Bedeutung des Kreuzes. Es steht nach unserem Glauben für die Liebe Gottes, der am Kreuz Leid auf sich nimmt, damit wir unsere Vergangenheit überwinden, in der Gegenwart leben und eine Zukunft finden können. Jedes Kreuz, das wir sehen, erinnert daran und nimmt dadurch an der Verkündigung dieser zentralen Inhalte unseres Glaubens teil. Das ist auch der eigentliche Grund, warum wir das Kreuz in einer Kirche überhaupt finden können, weil es eine christliche Botschaft in sich trägt. Unsere Kirchen sind in erster Linie Orte des Gebetes und der Verkündigung. Darum kann in einer Kirche nur das Aufnahme finden, was damit zu tun hat. Jede Zeit bringt da neue Ideen und damit neue Möglichkeiten. Das Kreuz wird immer dazu gehören. Aber es wird – nicht zuletzt auch durch die Kunst – immer wieder Neues entstehen, das wir mit Inhalten unseres Glaubens verbinden und darum in unsere Kirchen aufnehmen können. Unsere Glaubensgeschichte ist reich mit Beispielen davon.
Bleibt die Frage: Hat die Skulptur von Jason Martin mit christlicher Verkündigung zu tun? Im Blick auf die Entstehungsgeschichte ganz klar: Ja! Sie hat es aber auch dadurch, weil sie in einer Kirche aufgestellt wird. Bereits der Ort interpretiert. Was wir da entdecken, liegt an uns und daran, ob und wie wir unsere Entdeckungen einbringen. Schön wäre es, wenn wir in der Zeit der Ausstellung darüber immer wieder ins Gespräch kämen. In den Predigten haben wir es auf jeden Fall vor. Auf einen bestimmten Inhalt festlegen werden wir diese Skulptur nicht können. Da weht der Geist, wo er will. Das ist aber auch beim Kreuz schon so. Für manche steht es allein für Tod und Qual, für andere steht es für das genaue Gegenteil, nämlich für Leben und Heilung.
In diesem Sinne wünscht der Beirat eine spannende Auseinandersetzung mit einem Objekt der modernen Kunst. Nicht allen wird es gefallen. Aber alle können etwas mit Hilfe dieser Skulptur über den eigenen Glauben erzählen. Spätestens dann ist sie ein Teil unseres Redens von Gott.

© Pfr. Christian Feuerbaum, 2007